“In Gloucester, einer Stadt des Staates Massachusetts, hat die Emancipatopm der Fraien bereits einen für das stärkere Geschlecht sehr wünschenswerthen Fortschritt gemacht. Die jungen Damen dieser Stadt haben nämlich vor kurzem einen feinen Ball arrangirt [sic!], wozu sie nicht nur die Herren ihrer Bekanntschaft einluden, sondern auch die sämtlichen Kosten aus eigener Tasche bestritten.” – Quelle: Wiener Zeitung, 22. Januar 1870, Seite 66.
Kategorie: Aus alten Zeitungen
Mr. Winter
„Eine der Überraschungen der diesjährigen Frühlingsausstellung der Königlichen Akademie der Künste ist ohne Zweifel ein bisher unbekannter Maler, der sich im Katalog mit dem schlichten Namen “Mr. Winter” eintragen ließ und hinter dem man anfänglich ein vielversprechendes “junges Talent” vermutete. Erst nachträglich stellte es sich heraus, daß sich hinter dem “winterlichen” Pseudonym weder ein Unbekannter noch ein “junges” Talent versteckte, sondern der leibhaftige Winston Churchill, der sich nun über den exklusiven Bildersalon auf den besten Weg zur pinselführenden Unsterblichkeit befindet. Mit der Zulassung zu Ausstellung der Akademie erwirbt sich Winston Churchill eine der höchsten Ehren, die einem Maler von offizieller englischer Seite zuteil werden können.“ – Vorarlberger Volksblatt vom 05.05.1947
Pferd und Locomotive
„Am 12. d. traf der von Czegléd kommende Personenzug mit einer halbstündigen Verspätung in Pesth ein. Ueber deren Ursache berichten Pesther Blätter, daß bei Monor ein Pferd auf den Eisenbahndamm sprang und dort vor der Locomotive einhergaloppierte. Um eine Entgleisung vorzubeugen, hielt der Zug, der Locomotivführer ließ die Maschine pfeifen und Feuer und Dampf speien, um das Pferd zurückzuschrecken. Diese Einschüchterungsversuche machten jedoch nur geringen Eindruck auf das Thier; es lief, was es laufen konnte, vor dem Zug einher; da sich trotzdem die Locomotive wiederholt dem Pferde bedenklich näherte, wurde das obige Manöver mehrere Male, wenn auch stets ohne Erfolg angewendet, bis es endlich bei Steinbruch dem Pferde beliebte die Bahn zu verlassen.“ – Quelle: Das Vaterland vom 17. April 1864.
Die Schöne und der Revolver
“Der Polizei von Rio de Janeiro – so lesen wir in der “Deutschen Zeitung” von Sao Paulo – sind in einer einzigen Nacht vier gleichlautende Anzeigen erstattet worden. Die Fälle sind wirklich eigenartig “schick”, wie man zu sagen pflegt.
Ein kleines, sehr elegantes Sportautomobil hält neben einem einsamen Spaziergänger der, mit dem Hut in der Hand, sich Kühlung zufächelt. Der Mann sieht den Wagen an. Daran sitz eine sehr elegante junge Dame, noch schöner als elegant. Sie lächelt ihm entgegen. Er denkt: Das ist so ein Durchbrenner, der über die Stränge der guten Sitten schlage möchte. Und solche Durchbrenner sind immer interessant. Die Schönheit beginnt zu sprechen. Der Mann geht eifrig auf das Gespräch ein. Er tritt an den Wagen heran und glaubt an eine Einladung zum Mitfahren. Sie winkt ihn ganz nahe an sich heran. Sie werde ihm etwas Interessantes zeigen. Er ist ganz Auge, ganz Ohr. Was sie da zeigt, ist eine sehr große uns sehr kostbare Brieftasche: “Legen Sie ihr Geld da hinein!” befiehlt die Schönheit, in deren zarter Hand er einen Colt-Revolver, Kaliber 32, erblickt. „Legen Sie nur Ihr Geld hinein, Ihre Schmucksache können Sie sich selbst behalten. Die stehen Ihnen gut. Und entschuldigen Sie übrigens! Die Zeiten sich heute so, daß man tollkühn sein muß. Ich bin es.“ Der Mann steckt sein Geld in ihre Brieftasche. Dann faßt sie ihn um den Hals, zieht ihn an sich und drückt ihm einen Kuß auf die Lippen. Dann hört er rrrr! Das Auto saust davon…
An einem einzigen Abend hat die junge Schöne auf diese Weise vier Männer überfallen; in der Avenida Beira Mar, einen vor dem Tunnel Nova, den dritten in der Avenida Atlantica und den vierten an der Praia Russel. Das alles zwischen 10 und 11 Uhr. Die ganze Beute betrug nach den Angaben der Geplünderten 1339 Milréis. Man fragt sich: Hat denn keiner der vier ausgeplünderten Männer (es gibt vielleicht noch andere, die sich nicht an die Polizei gewendet haben) daran gedacht, die zarte Hand mit dem unzarten Revolver fernzuhalten? Das wäre doch möglich gewesen. Die junge Dame hat ihre Pappenheimer gekannt und sie richtig eingeschätzt. Und darum ist der Fall interessant.”
Quelle: Die Neue Zeitung vom 4. April 1925.
Hausmütterchen
“Witwe Agatha Winder, geb. Winder, von Litzenberg, vollendet am 30. April in körperlicher und geistiger Frische ihr 85. Lebensjahr. Sie ist immer noch ein arbeitsames Hausmütterchen.”
Quelle: Voralberger Tagblatt vom 27.04.1945.
Elvis Presley
“Zunächst ist an diesem Elvis Presley nichts Besonderes: er sieht ziemlich dumm aus. das gibt es bei anderen Menschen auch; sein Gesicht ist immer leicht vernebelt, wie bei manchen anderen auch; er kann nicht Gitarre spielen; auch dadurch hat er keinen Seltenheitswert, er kann auch nicht singen. Was ihn jedoch nicht hindert, zum berühmtesten Rock ‘n’-Roll-Singer zu avancieren, und sich zu seinen sogenannten Konzerten mit einer Gitarre zu dekorieren. Der Erfolg: für eine seiner Platten, „Love Me Tender”, lagen vor ihrem Erscheinen zwei Millionen Bestellungen vor, auch für amerikanische Verhältnisse ein einmaliges Phänomen. Nach jeder Veranstaltung mußte Mr. Presley von der Polizei in Sicherheit gebracht werden wenn er nicht aller Textilien ledig nach Hause kommen wollte. Diese Karriere kam — historisch erstmalig — auch gegen den „ehernen Boykott” der Fachkritik zustande. Schließlich brachte es Mr. Presley zuwege, Gegenstand psychiatrischer Abhandlungen zu werden. Dieser Mensch ist von Hause aus ein halber Analphabet. Das ist traurig, aber leider wahr, und deshalb verfiel man auch darauf, an ihm besonders die Frisur die unter dem Terminus Technikus „Entenschwanz” in die Geschichte des Barbierhandwerks eingehen wird und die damit den Kopf ersetzt.“
Quelle: Neues Deutschland, 13. Dezember 1956, S. 3
Harte Zeiten für Kunden
Die Geburt des Thronfolgers
„Eine außerordentliche Lond. Hof-Zeg. vom 9. Nov. meldet: “Heute Morgens, 12. Minuten vor 11 Uhr, wurde die Königinn glücklich von einem Prinzen entbunden. Se. k. Hoheit Prinz Albert, Ihre k. Hoheit die Herzoginn von Kent, mehrere Lords von Ihrer Majestät höchst ehrenwerthem geheimen Rath und Ihrer Majestät Hofdamen waren daher anwesend. Diese große und wichtige Neuigkeit wurde sogleich der Hauptstadt durch Abfeuern der Park- und Tower-Kanonen bekannt gemacht, und nachdem sich darauf der geheime Rath so schnell als möglich im Conceilszimmer in Whitehall versammelt hatte, wurde beschlossen, daß von Sr. Gnaden dem Erzbischof von Canterbury die Formel zu einem Dankgebeth für der Königinn glückliche Entbindung von einem Prinz en vorbereitet werden möge, welche in allen Kirchen und Capellen von England und Wales und in der Stadt Berwick am Tweed am Sonntag den 14. November oder dem nächstfolgenden Sonntag, nachdem die Geistlichen solche erhalten haben werden, gebethet werden soll. Ihr Majestät und der kleine Prinz befinden sich, Got sey dafür gedankt! beyde wohl. – So ist eine sehnliche Hoffnung der Nation erfüllt, welche doch immer einem männlichen Thronerben den Vorzug gibt. Der Globe sagt: “Das prinzliche Kind ist durch die Geburt Herzog von Cornwall und wird in einem oder zwey Tagen als Prinz von Wales proclamiert werden. Die ersten Geburtswehen stellten sich heute Morgen um 6 Uhr ein, legten sich wieder, kehrten aber bald zurück, und endigten, undet dem Segen der göttlichen Vorhersehung, mit der Geburt des Thronerben. Das erlauchte Kind ist ein bemerkenswerth schöner, wohlgewachsener, starker, wohlproportionierter und gesunder Knabe. Die Cabinettsminister, welche in der Windsor-Uniform erschienen, der Primas des Rechs und der Bischof von London u.s.w. hatten sich auf die erste Anzeige von den eingetretenen Wehen gegen 7 Uhr im Buckingham-Pallaste eingefunden. Wenigen Minuten nach 2 Uhr ward auf dem Paradeplatze im St. Jamespark eine königl. Salve von 41 Kanonenschüssen abgefeuert, um das glückliche Ereignis dem Volk zu verkünden, welches sich bald in großen Anzahl vor dem Pallaste versammelte. Die Neuigkeit hatte sich aber gleich nach der Geburt wie ein Lauffeuer durch die ungeheure Stadt verbreitet, und ward überall mit den wärmsten Empfindungen der Freude und der Loyalität aufgenommen. Von den Thürmen der verschiedenen Metropolitankirchen erlangen den ganzen Tag über fröhliche Glockenspiele. An die fremden Höfe eilten sogleich Couriere mit der Nachricht ab, und auf der London-Liverpooler Eisenbahn ging mit einem eigenen Train ein Expresser ab, um dieselbe an den Lordstatthalter von Irland nach dem Dubliner Schloß zu bringen.“ – Quelle: Wiener Zeitung vom 19.11.1841.
Politikerschelte anno 1902
Was jetzt von Leuten, die sich in Stellung befinden oder solche zu erlangen hoffen, an Reclame-Artikeln für den Präsidenten Mr. Roosevelt geleistet wird, grenzt ans Unglaubliche. Er fragt sich nur, ob er selbst das Alles lesen kann, umsomehr, al er einen grossen Theil seiner Zeit offenbar braucht, um sich photographieren zu lassen. Der eigentliche Act des Photographierens beansprucht ja allerdings nicht viel Zeit, aber Mr. Roosevelt wechselt ständig das Costüm. Bald lässt er sich im Familienkreis photographieren und bald im Staatskleid, bald als Cowboy und bald in seiner Obersten-Uniform, bald als Jäger und bald als Lawn-Tennis-Spieler, bald als Volksredner und bald als Schriftsteller am Schreibtisch, bald als Ruderer und bald als Holzhacker mit Wadenstrümpfen und dem Beil auf der Schulter. […] Betrachtet man die zahllosen Photographien in immer wechselnden Stellungen, so kommt man zu Ueberzeugung, dass die Union jetzt einen ausserordentlich arbeitsfreudigen Präsidenten hat.“ – Dillinger Zeitung am 10. Januar 1902.
Eine internationale Bartfrage
“Es gab eine Zeit, in welcher die Bartfrage von den Theologen, eine andere, in der sie von den Juristen und Regierungsmännern allen Ernstes besprochen wurde. Heute haben sich alle diese gelehrten Körperschaften friedlich ausgesöhnt, und es wird kaum mehr darüber einen Streit geben, ob die eine oder andere Form des Barttragens eine – Sünde oder gar ein Verbrechen sei. Umso mehr überrascht das Erscheinen einer Broschüre, welche lediglich den Schnurrbart oder vielmehr den verbotenen Schnurrbart zum Gegenstand hat. Mit einer Leidenschaft und einem Feuer, daß man einem Maître de Hotel, als welchen sich der Autor bekennt, kaum zutrauen würde, wird da eine Lanze für den Schnurrbart bei Kellnern und Hotelbediensteten eingelegt. Der Autor sagt unter anderem: “Der Jüngling wird verhalten, daß Zeichen des herannahenden Mannesalters gewaltsam zu vernichten, und damit empfängt er den ersten Tropfen Gift des Hasses und des Neides, er fühlt die Erniedrigung angesichts seiner Mitmenschen, er hat nicht das Recht, ebenso Mensch zu sein, wie andere Menschen, da hast einen Fußtritt und schau, daß du unter die Wesen kommst, wohin du gehörst: unter die Affen und Hunde.” In diesen Worten des Verfassers liegt der ganze Inhalt der Broschüre. Der Autor ist der Überzeugung, daß das gesamte Publicum die Kellner unterstützen wird, wenn “sie gegen das Verbot der Schnurrbarttragens opponieren, und fordert dazu auf, dem Rasiermessen für immer Abschied zu geben. Wenn man bedenkt, welche Rolle ein hübscher Schnurrbart oft zu spielen berufen ist, und vielleicht noch mehr, wenn man sich des Gefühls erinnert, welches das Schermesser unter der Nase hervorruft, wird man den Schmerzensschrei des Maître d’hotel begreifen. Eins ist sicher: das Wiener Publicum wird, schon aus Mitleid mit den verunstalteten Kellnern, für den Schnurrbart stimmen. Andererseits aber sollte der leidenschaftliche Verfasser der Streitschrift über den Schnurrbart sich doch die Frage stellen, woher die Sitte stamme, daß Kellner und Hotelbedienstete keinen Schnurrbart tragen. Theilen sie nicht das Los der engloschen Reverends und französischen Advocaten? Diese Stände halten, schon ihrer äußerlichen Würde wegen, am längsten an alten Sitten. Vor hundert Jahren wäre ein Schnurrbart nur für den Soldaten – und vielleicht oft für diesen nicht, salonfähig gewesen. Die Conservativsten der Conservativen behalten die Sitte des Rasierens, wenigsten was den Schnurrbart anbelangt, aus “Gesinnung” bei. In adeligen Häusern, wo sogar die Form der Livree häufig noch dem vorigen Jahrhundert entnommen ist, hält man auch an diesem Gebrauche fest und verlangt von der Dienerschaft, daß sie den Schnurrbart opfere. Die Hoteldienerschaft aber soll dem reisenden Gentlemann seine eigene ersetzen, darum das Streben des Hoteliers, in Tracht und Sitte die Dienerschaft des Adels nachzubilden. Gar so schlimm steht die Sache, also mit der Tyrannei der Hotelbesitzer nicht. Andererseits müssen die revoltierenden Kellner siegen. Sie haben das ganze weibliche Geschlecht in dieser Frage für sich, und die Frauen behalten, wie bekannt, zuletzt immer Recht. – Linzer Tages-Post vom 25.Juli 1888.